Übersicht: Navigation | Inhalt

Hier finden Sie kompetent, aber ungeordnet, CD-Kritiken von Vorstandsmitgliedern oder Vereinsmitgliedern. Sollte Ihnen die Besprechung einer CD fehlen, mailen Sie uns an: Andreas.Schley@inijrp.de.

Immer nur Passion-Musiken? oder: Ostern - mal etwas jazziger?

Bereits im Jahre 2006 ist die CD »Oscar Peterson´s Easter Suite für Jazz-Trio in 9 Sätzen« des Trios Olaf Kordes (Piano), Wolfgang Tetzlaff (Kontrabass) und Karl Godejohann (Schlagzeug) erschienen.

Eines der bedeutendsten Werke des Pianisten Oscar Peterson ist bisher nur als Video bzw. DVD-Mitschnitt eines Live-Konzertes im Auftrag der BBC erhältlich. Als Auftragskomposition für die BBC im Jahre 1984 entstanden ist die Suite eine Umsetzung der Leidenszeit Christi von Gründonnerstag (Letztes Abendmahl) bis zur Auferstehung (Ostern).

Peterson interpretiert die Passion in der neunsätzigen Suite ausgehend vom Erlösungsmotiv in swingenden Songs, ohne aber platt zu wirken. Die marching-drums im »Verhör« und selbst die spielerischen Läufe im Passionschoral »Jesus Christ lies here tonight« lassen nie einen würdevollen Umgang mit der Passion vermissen. Die Passion ist keine Anhäufung von Klageliedern, sondern zeichnet den Weg Christi mit Jazz-Stilelementen ernsthaft und trotzdem mitreißend nach.

So bemerkenswert wie die Entstehung der Suite ist auch die Entstehung dieses Projektes. Olaf Kordes und Wolfgang Tetzlaff haben die Suite aufwändig transkribiert und dem Werk damit nach 22 Jahren erneut den Weg aufs Podium bereitet. Ausgangpunkt ist der Wiedererkennungs-Effekt der Spielweise und Interpretation von Oscar Peterson, dem bekannten Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen und Schlagzeuger Martin Drew ohne diese einfach nur zu kopieren. Und so gibt es ausreichend Freiräume für die Musiker, die in der Umsetzung der Suite auch ihre persönliche musikalische Handschrift erkennen lassen.

Kammermusikalischer Jazz mit theologisch-musikalischer Passionsinterpretation – auf jeden Fall ein besonderer Hörgenuss.

Das Trio führt die Easter-Suite in ihrem Konzert-Programm mittlerweile am liebsten in Kirchen auf. Die spirituelle Wirkung der Suite lässt sich in Sakral-Bauten für den Zuhörer noch viel intensiver erleben.

Mehr Informationen:

www.easter-suite.de (mit Hörproben als mp3)

CD: Oscar Peterson: The Easter Suite (1984)

A.S.

Dieter Falk: Tribute to Paul Gerhard

„Warum hat einer der bekanntesten und erfolgreichsten Musikproduzenten Deutsch-lands (Juror der Casting-Show "Popstars") sein neues Album mit eigenen Arrangements bekannter Paul-Gerhard-Choräle aufgenommen?“ Ist das Marketing? Sicher nicht!

Schon in den 80er Jahren hatte sich der einstige Schulmusiker mit Neueinspielungen von Kirchenchorälen beschäftigt. Er konnte damals sogar namhafte amerikanische Studiomusiker wie Steve Lukather von Toto oder die Bläser-Section um Jerry Hey für seine Projekte begeistern.

Mit seinem neuen Album, auf denen sich auch zwei Arrangements aus früheren Veröffentlichungen wieder finden, geht Falk jetzt neue Wege. Diesmal sind es nicht die Namen großer Musikerkollegen, die als Werbeträger dienen. Falk hat die Stücke mit weitestgehend unbekannten niederländischen Musikern in wenigen Tagen live eingespielt. Lediglich der deutsche Trompeter Till Brönner hat bei uns einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht.

Die Musik klingt frisch und lebendig. Gleichzeitig erlebt der Hörer einen Gang durch die Popmusik-Geschichte:

„Du meine Seele singe“ klingt ein wenig nach Norah Jones, „Geh aus mein Herz“ nach Steely Dan, „Fröhlich soll mein Herze springen“ wurde im Big-Band Arrange-ment eingespielt, „Befiehl du deine Wege“ mit einem Schuss Robbie Williams. In einem Arrangement schimmert Bruce Hornsby durch, ein anderes klingt nach Earth, Wind & Fire.

Die Musik: ...mal folkig, mal rockig, mal gospelig...

Und was kommt heraus? Abwechslungsreiche Popmusik, die hoffentlich die Vertonungen der Paul-Gerhard-Texte auch einem neuen Hörerkreis nahebringen kann. Und wenn man die Melodien bereits kennt, lernt man sie vielleicht einmal anders und dadurch wieder neu kennen und schätzen.

Eine Herausforderung? Sicher nicht. Aber viel frischer Wind in alter Musik.

A.S.

Seven Days Of Falling - Vielfalt durch Reduktion

Das typische Jazztrio besteht üblicherweise aus Klavier, Bass und Schlagzeug. In dieser auf drei Klangfarben begrenzten Besetzung wurde im Laufe der Jazzgeschichte schon sehr viel gute Musik aufgenommen. Eine ganz neue Qualitätsstufe der Sparte „Klaviertrio“ hat Esbjörn Svennson mit seiner Gruppe E.S.T. eingeläutet.

Svensson, ein schwedischer Pianist, der in Deutschland vor allem als Mitglied der Band des Posaunisten Nils Landgren bekannt geworden ist, hat auf seiner neuen CD „Seven Days Of Falling“ die Klangfarben der drei Instrumente bewusst original belassen. Man hört beständig das akustische Klavier, den akustischen Bass, das akustische Schlagzeug. Allerdings wird dieses archetypische Klangbild immer wieder erweitert. Dazu nutzt Svensson lediglich ein einziges Mittel: den Effekt der Verzerrung. Auf diese Weise verändert er die Klangfarben meist ganz dezent, aber durchaus auch mal heftig. Zartheit und Klangwärme werden von Rauheit abgelöst. Das Klavier klingt dann gelegentlich sehr nach John Cages präparierten Klavieren, der verzerrte Kontrabass erscheint plötzlich wie eine E-Gitarre. Besonders spannend wird es, wenn Originalklang und bearbeiteter Klang gemischt werden. Weitere Effektmittel oder gar synthetisch erzeugten Klänge sind auf der CD nicht zu finden. In dieser Reduziertheit der verwendeten klanglichen Mittel entsteht der besondere Reiz dieser CD: Es stellt sich der Eindruck von klanglicher Bescheidenheit und zugleich subtiler Raffinesse ein. Soviel zum Klangmaterial und seiner Bearbeitung.

Nun zu dem, was das Trio spielt. Die Musik hat ihr Zentrum eindeutig im Jazz. Sie ist durchsetzt von feinstem Groove und einfallsreicher Improvisation. Aber die gängigen Jazz-Chiffren werden permanent verlassen. Mal rockt es, mal hat man den Eindruck von ostinater Minimal Musik, mal wird es ganz perkussiv, mal verliert sich die Musik in lyrischen Klanglandschaften. Viele Elemente der Musik unserer Gegenwart fließen in Svenssons Kompositionen ein, aber auch die politischen und sozialen Gefühlslagen unseres Alltags lassen sich darin erkennen. Svensson erzählt uns lange Geschichten in seiner Musik: er kontrastiert wunderbar lyrische, sangliche, emotional tiefe Momente mit vorwärtstreibenden, hektischen Passagen, leise und zarte Abschnitte werden zu gewaltigen Klangkaskaden ausgebaut. Die CD zu hören, fordert offene Ohren und sicherlich einige Aufmerksamkeit, aber keine Angst, man kann sich wunderbar in die Musik hineinfallen lassen, sie nimmt den Hörer mit auf eine spannende Klangreise. Auch in den anstrengenden Passagen wird die Musik nie spröde oder gar abstrakt. Immer wieder führt sie uns in melodiesattes sinnlich-genussvolles Erleben zurück.

Am besten, verehrte Leserinnen und Leser, nehmen Sie sich eine Stunde Zeit, schalten Telefon, Handy und Türklingel ab und hören sich die CD in einem Zuge an. Und wenn Sie dann nach dem letzten Titel den CD-Player nicht gleich ausschalten, sondern dem Gehörten noch einige Minuten nachsinnen, kommt ein Bonus-Track zum Vorschein, auf dem der Pianist als Sänger zu hören ist: „If we meet again, I’d tell you how I feel, I’d tell you love is real....“

Esbjörn Svensson Trio: „Seven Days Of Falling“, ACT 9012-2

Esbjörn Svensson - Piano, Dan Berglund - Bass, Magnus Örström - Drums.

(...aus der Ausgabe "Dialog" - Die Zeitschrift für Mitarbeitende in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ausgabe 2/2004 (Sommer), hier nun vollständig...)

www.esbjoernsvenssontrio.com

W.T.

Jazz-CD "Licht"

Das Stefan Schultze Trio feat. Hanna Jursch ist eine junge Jazzformation, bestehend aus Stefan Schultze (Piano), Peter Schwebs (Bass), Timo Warnecke (Schlagzeug) und der Sängerin Hanna Jursch. Seit 2002 treten die vier Studenten gemeinsam auf und bieten modernen akustischen Jazz vom Feinsten. Die Stücke sind größtenteils Eigenkompositionen des Namensgebers, voll von lyrischen Melodien und freien Improvisationen, strotzend vor Energie und Experimentierfreude.

Neben Breakbeateinflüssen lassen sie auch deutliche Ausflüge in Richtung Popmusik und Blues erkennen. Durch zahlreiche gemeinsame Konzerte hat sich das Stefan Schultze Trio inzwischen seinen ganz eigenen Bandsound erspielt, und bei jedem Set beweisen die Musiker erneut ihren Mut zu dynamischen und rhythmischen Extremen sowie ihre unstillbare Spiel- und Experimentierfreude. Diese ist auch spür- und hörbar auf der 2003 erschienenen Debüt-CD „LICHT“, die gemeinsam mit dem Saxofonisten Tilman Ehrhorn aufgenommen wurde.

Mit dem Saxophonisten Peter Ehwald konnte das Schultze Trio feat. Hanna Jursch den hannoverschen Wettbewerb Winning-Jazz-2003 für sich entscheiden.

Die CD ist erhältlich bei www.modern-jazz.de

W.T.